Gerade habe ich die neue Corona-Warn-App installiert. Gestern dachte ich, dass wir diese eigentlich bereits im März gebraucht hätten. Aber für diese Pandemie gab es keine Blaupause.
In einer föderalen Struktur dauern Abstimmungsprozesse manchmal länger – im Fall der Corona-Warn-App war der Entwicklungszeitraum gefühlt sehr lang. Schade, dass es keine internationale oder zumindest europäische Lösung gegeben hat. Denn auch das haben wir lernen dürfen: wir können zwar Grenzen schließen, aber Corona macht nicht an den Grenzen halt.
Während wir uns in diesen Tagen über niedrige Infektionszahlen freuen dürfen, entwickeln sich die Infektionszahlen in anderen Ländern und Kontinenten weiter exponentiell nach oben.
Eigentlich doch ein guter Zeitpunkt für die App. Jetzt können sich Alle in Ruhe überlegen, ob sie sich die App installieren, der Technik (und dem Datenschutz) vertrauen und einen weiteren Beitrag zum Schutz Anderer leisten und selbst im Falle eines möglichen positiven COVID 19-Kontaktes darauf hingewiesen werden möchten.
Im Frühjahr haben wir in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern und Regionen richtig Glück gehabt. Das haben wir ganz entscheidend unserem Gesundheitssystem zu verdanken. Zugegeben: ich war bis zum Frühjahr auch der Auffassung, dass wir in Deutschland zu viele, zu viele kleine und zu viele nicht spezialisierte Krankenhäuser haben und die Silos – ambulant, teilstationär und stationär – überwinden müssen im Sinne einer patientenzentrierten sektorübergreifenden Versorgung. Corona hat mich hier nachdenklich gemacht. dass wir in Deutschland keine Bilder wie aus Kliniken in Bergamo, Madrid, dem Elsass oder New York erleben durften, hat ganz entscheidend mit unserem im internationalen sehr komfortablen Gesundheitssystem zu tun. Wir brauchen dringend eine breite Debatte und dann auch Entscheidungen darüber, welches Gesundheitssystem wir zukünftig in Deutschland mit welcher Ausstattung und zu welchem Preis wollen. Das sind wir auch den Menschen schuldig, die in Kliniken und Pflegeeinrichtungen mit hohem persönlichen Einsatz dafür gesorgt haben, dass wir bisher im Vergleich im Gesundheitswesen gut durch die Krise gekommen sind.
Jetzt kann jeder von uns seinen Beitrag mit dazu leisten, dass das so bleibt. Auch wenn es keine Garantie dafür gibt – mit App und auch nicht ohne App.