Voraussetzungen, damit der Strukturwandel gelingt.

„Kliniken müssen in ihrem Angebot auf einander abgestimmt und miteinander vernetzt sein“, verkündete der frischgebackene Gesundheitsminister Jens Spahn auf dem DRG-Forum 2018 in Berlin. Und sprach sich für klare Kriterien auf Bundesebene aus, damit Strukturänderungen vor Ort leichter umsetzbar seien. Er kündigte darüber hinaus an, das Thema Digitalisierung anzugehen: „Ich möchte, dass wir das Ding in den nächsten drei Jahren hinkriegen.“ Sprach es, und entschwand zum Deutschen Pflegetag.

Die Tendenz war klar auf dem DRG-Forum 2018: Der Trend geht zur Zentrenbildung und zur digitalen Vernetzung. Insbesondere Dänemark wurde immer wieder als BestPractice-Beispiel für beides genannt. Dort entstehen gerade über das Land verteilte „Super-Hospitäler“, in der Fläche digital vernetzt mit hochmodern ausgestatteten Hausarztpraxen und Rettungshubschraubern. Der Weg zu einem stark IT-gesteuerten, auf dem „Internet of Things“ basierenden Prinzip zur Organisation und Steuerung von Krankenhäusern wird auch für deutsche Kliniken unumkehrbar sein. Statt „Redesign your hospital“ wäre womöglich „Redesign some hospitals, shut down the others” der ehrlichere Titel für das DRG-Forum gewesen.

Machen wir uns nichts vor: Die Veränderungen in der Krankenhauslandschaft haben längst begonnen und werden in den nächsten Jahren massiv voranschreiten. Insofern ist ein Strukturwandel nicht nur erwartbar und aus betriebs- wie volkswirtschaftlicher Sicht überlebensnotwendig, sondern auch ein wichtiger Faktor dafür, dass die Beschäftigten in den Kliniken ihre Arbeit auf qualitativ hohem Niveau und in auch für sie organisatorisch sinnvoller Struktur ausüben können.

Zeit also, dass wir uns fragen: Was brauchen die Menschen, die heute im Gesundheitswesen arbeiten, um diesen Change begleiten zu können? Meine These vorweg: Change funktioniert nur dann, wenn er top-down gelebt wird. Das bedeutet, dass alle Führungskräfte eines Hauses viel Zeit und Energie in die Entwicklung einer gemeinsamen Zukunftsvision und in den direkten Austausch mit ihren Mitarbeiter*innen stecken müssen.

Veränderung braucht nachvollziehbare Rahmenbedingungen

Veränderungen in der Unternehmensstruktur werden auf der politischen Ebene eingeleitet, en détail auf der ersten Führungsebene entschieden und folgen in der Regel wirtschaftlichen, rechtlichen und inhaltlichen Aspekten. Dabei entsteht zuweilen der Eindruck, es gehe ausschließlich um Gewinnmaximierung und die Qualität der medizinischen Versorgung müsse sich schnödem Bereicherungswahn beugen. Dieser Eindruck führt dazu, dass notwendigen Veränderungen mit Widerstand begegnet und diese in der Folge verschleppt oder „verschlimmbessert“ werden.

Die erste Regel für die oberste Führungsebene eines im Wandel befindlichen Hauses lautet, die getroffenen Entscheidungen, deren Hintergründe und den erwarteten Nutzen (wirtschaftlich, organisatorisch und auch im Hinblick auf Arbeitsbedingungen) transparent zu machen. In der strukturellen Veränderung ist die Verunsicherung im Haus groß. Ihre Mitarbeiter*innen müssen deshalb mindestens wissen, auf der Basis welcher Fakten und vor dem Hintergrund welcher Rahmenbedingungen ihr Arbeitsumfeld sich innerhalb welchen Zeitkorridors verändert. Welche Chancen das für jeden einzelnen mit sich bringt. Und auch, wer vielleicht nicht mehr oder aber in anderer Konstellation an Bord sein wird. Erklären Sie nicht nur die Gründe für organisatorische Veränderungen, sondern auch die Chancen, die darin stecken.

Das bedeutet auch, Widerstände und Gegenwehr aushalten und ein Gegengewicht dazu aufbauen zu müssen. Denn es ist völlig normal, dass Menschen Veränderungen, die sie sich nicht selbst ausgesucht haben, tendenziell ablehnen. Es ist völlig normal, dass sie erst einmal Argumente suchen, die dagegen sprechen – auch das ist eine Art „Situationsanalyse“. Es ist völlig normal, dass sie, wenn sie sich ausgeliefert fühlen, Beweggründe in Frage stellen, Entscheider persönlich angreifen oder aber versuchen, die berühmte „Ausnahme von der Regel“ herauszuverhandeln. Als Führungskraft sind Sie jetzt gefordert, denn es gilt die Balance zu finden zwischen klarer Positionierung im Hinblick auf die Rahmenbedingungen einerseits und dem Ernstnehmen von Sorgen und Bedenken andererseits. Hören Sie deshalb genau hin – möglicherweise ergibt sich aus einem Einwand tatsächlich die Möglichkeit, eine praktikablere Lösung für die Umsetzung zu erarbeiten. Das Ziel ist klar, der Weg möglicherweise flexibel: Stellen Sie nicht die grundsätzliche Entscheidung in Frage, aber bleiben Sie offen bei der Suche nach der für Ihr Haus sinnvollsten Vorgehensweise. Die besten Change-Prozesse sind oft die, die unterwegs noch nachjustiert, verändert und an die Bedürfnisse und Notwendigkeiten des Umfeldes angepasst werden.

Veränderung braucht das gemeinsame Handeln

„Die entscheiden einfach irgendwas, und dann lassen sie sich nicht mehr blicken und erwarten, dass wir das halt so machen“ – solche und ähnliche Sätze höre ich oft in konfliktären Situationen zwischen Mitarbeiter*innen und Führungskräften. Schade, denn präsent sein ist ein wichtiger Teil der Führungsaufgabe – und niemals wichtiger als in Zeiten, in denen sich Arbeitsumfelder und Arbeitsbedingungen ändern. Der Verunsicherung im Haus können Sie am besten begegnen, indem Sie so oft wie möglich vor Ort bei Ihren Mitarbeiter*innen sind. Diese Zeit ist gut investierte Zeit und mindestens so wichtig wie Strategiemeetings, Projektbesprechungen und Managementtermine.

Dazu brauchen Sie zuallererst selbst eine klare und positive Vorstellung davon, wie die Zukunft des Hauses aussehen wird. Wenn also die Rahmenbedingungen klar sind, dann ist die erste und wichtigste Aufgabe, auf der Führungsebene zusammen zu erarbeiten, wie ihre Arbeit und die ihrer Mitarbeiter innerhalb dieser Rahmenbedingungen sinnvoll gestaltet werden kann. Welche Vision haben Sie? Welche Kriterien müssen dabei berücksichtigt werden? Wie könnte eine gute Vorgehensweise aussehen? Wer stimmt sich wann mit wem ab? Wie sorgen Sie für eine klare und zielführende Information? Und vor allem: Was genau können und werden Sie tun, um die Veränderung auf den Weg zu bringen, in Gang zu halten und erfolgreich zu gestalten?

Wenn der „Masterplan“ für Sie selbst Gestalt angenommen hat, können Sie ihn gut und mit Begeisterung mit ihren Mitarbeiter*innen teilen. Und vermutlich viel mehr von ihnen auf den Weg mitnehmen, als Sie vorher dachten. „Yes, we can!“ – dieser Spirit entsteht nur durch den gemeinsamen Austausch und das gemeinsame Handeln.

Veränderung braucht Menschen

Die medizinisch-betriebswirtschaftliche Sachlogik reicht nie aus, strukturelle Veränderungen erfolgreich umzusetzen. Denn Veränderung lebt vom Tun der Menschen. Und dafür braucht es emotionale Treiber, die es schaffen, aus einem abstrakten Ziel einen gemeinsamen Erfolg zu machen.

Welche sozialen Kompetenzen gerade Digitalisierung und Zentrenbildung erforderlich machen – damit werden wir uns in einem der nächsten Beiträge beschäftigen.