Auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress heiß diskutiert: die Pflegepersonaluntergrenzen (PpUVG). Die Erkenntnis, dass ein Klinikum schlicht und einfach ohne Personal nicht betrieben werden kann, hat die Politik in ein Gesetz gegossen, das die Kliniken vor Herausforderungen stellt, die die eigentliche Problematik rund um den Fachkräftemangel außen vor lässt.

Dabei geht es inzwischen ebenso um das Halten der vorhandenen wie um das Gewinnen neuer Mitarbeiter*innen und damit um die Frage, was Mitarbeiter*innen brauchen – oder vermissen. Martina Oldhafer vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein brachte es auf den Punkt: „Ganz Deutschland hat das Gefühl, es wird nicht mehr wertgeschätzt“ – da wäre es ein guter Anfang, so Oldhafer, wieder mehr analog und weniger digital mit einander zu reden.

„Einfach mal anfangen!“ empfahl denn auch Jutta Dernedde (Klinikverbund Bremen) – mit den Beschäftigten reden, herausfinden was sie wollen und brauchen und ggf. auch individuelle Lösungen anbieten, denn „die Beschäftigten wandeln und bewegen sich“. Arbeitgeber müssen sich mitbewegen, wenn sie ihre Mitarbeiter*innen halten (und neue dazugewinnen) möchten.

Mythos Gehalt – schafft Geld Bindung?

Gehälter und Prämien – ein viel diskutiertes Thema. Die Diskussion um Gehälter kann sinnvoll sein um sich damit auseinanderzusetzen, was eine bestimmte Tätigkeit unserer Gesellschaft tatsächlich wert ist, und unter dieser Prämisse halte ich sie durchaus für wichtig. Als Wettbewerbsfaktor allerdings, an den die Erwartung geknüpft ist, dass Loyalität und Engagement der Beschäftigten allein dadurch stiege, funktioniert Geld nur sehr bedingt.

Aus der Verhaltensforschung wissen wir schon lange, dass das Gehalt allenfalls ein „Hygienefaktor“ ist in der Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Damit Mitarbeiter*innen gerne und engagiert einem Unternehmen verbunden bleiben braucht es mehr als Geld, das sonst schnell zum gefühlten „Schmerzensgeld“ mutiert – eine Formulierung, die mir in letzter Zeit zunehmend in Gesprächen mit Pflegekräften, aber auch mit Ärztinnen und Ärzten begegnet und die uns zu denken geben sollte.

Auch die Prämie, die vielerorts wahlweise neuen Mitarbeitern oder denen, die sie anwerben, in Aussicht gestellt wird (mal als Hand-, mal als Kopfgeld bezeichnet) leistet da schlechte Dienste. Die Fallstricke einer „Belohnungskultur“ hat bereits in den 1990er Jahren der Management- und Führungsexperte Reinhard K. Sprenger in seinem Buch „Mythos Motivation“ beschrieben, das bis heute nicht an Aktualität verloren hat. Gezielte Investitionen in Maßnahmen, die das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgebern, Mitarbeiter*innen und Führungskräften stärken, sind weitaus sinnvoller. Hier investieren Sie zuallererst eines: Zeit – und die Bereitschaft zur kreativen Lösungsfindung.

Haltbare Lösungen entstehen im Dialog

Vertrauen im Arbeitsverhältnis stützt sich auf den ehrlichen und offenen, direkten Austausch zwischen Mitarbeiter*innen und Arbeitgeber oder Führungskraft und, darauf aufbauend, auf den individuellen Gestaltungsspielraum innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen. Das heißt zunächst, mit den Mitarbeiter*innen im kontinuierlichen Kontakt zu sein. Standardisierte Jahresgespräche tragen hierzu eher wenig bei, auch wenn sie ein Bestandteil messbarer Erfüllung von Führungsaufgaben sein mögen. Das Gefühl der Wertschätzung stellt sich nicht ein, wenn die Beschäftigten einmal im Jahr eine formalisierte Rückmeldung bekommen. Viel wichtiger ist es, im Arbeitsalltag stetig im Austausch zu sein.

Die meisten Mitarbeiter*innen wünschen sich von ihren Führungskräften vor allem mehr Präsenz, mehr Ansprechbarkeit und einen klar erkennbaren Bezug zum ihrem Tagesgeschäft. Angesichts der Vielzahl der strategischen und administrativen Aufgaben ist das eine echte Herausforderung für Führungskräfte – und doch ihre wichtigste und vorrangigste Aufgabe. Wenn Mitarbeiter*innen das Vertrauen haben, dass der Arbeitgeber bereit ist, fair und ausgewogen die Brücke zu schlagen zwischen ihren individuellen Bedürfnissen im Arbeitsalltag und den ökonomischen Interessen des Unternehmens, dann sind sie durchaus bereit, notwendige Maßnahmen mitzutragen.

Wandel und Bewegung, auch die kreative Entwicklung individueller Lösungen, können dann gelingen, wenn sie eben nicht „am Reißbrett entworfen“ und direktiv konzipiert sind (so wie das PpUVG empfunden wird), sondern aus dem direkten Bezug zum tatsächlichen Arbeitsalltag entwickelt sind. Im Austausch miteinander, im Verständnis der unterschiedlichen Anforderungen und vor allem: Im Blick auf den zentralen Auftrag, nämlich die Versorgung der Patienten.