„Es wäre schön, wenn man hier auch ernst genommen würde ohne dass man dafür hierarchisch am längsten Hebel sitzen muss!“ Das hörte ich erst kürzlich wieder von einem Oberarzt, der gerade zwischen Mitarbeitenden, Geschäftsführung und dem ärztlichen Kollegium jonglierte und den Eindruck hatte, dass seine Einschätzungen und Entscheidungen häufig dadurch unterlaufen würden, dass man versuchte, die jeweils ranghöhere Instanz hinzu zu ziehen.
Respekt vor einander und im Umgang mit einander ist in vielen Unternehmen des Gesundheitswesens ein Thema, und meistens enden Gespräche darüber genau mit diesem Schluss – dass Respekt nur bekomme wer oben in der Hierarchie säße. Genau betrachtet ist das ein Trugschluss, denn hier haben wir es häufig eher mit Angst vor der Machtausübung Einzelner als mit echtem Respekt der Person und Persönlichkeit gegenüber zu tun.
Tatsächlich wünschen sich nicht nur Führungskräfte, sondern alle Mitarbeitenden eines Hauses, dass man ihnen mit Respekt und Wertschätzung begegnet, und die wenigsten erleben das tatsächlich. Das ist insofern tragisch als wir wissen, dass Menschen, die sich respektiert fühlen, gesünder und belastbarer sind und seltener an Burnout leiden. Dies belegt eine Studie der Society for Human Resource Management (Employee Job Satisfaction and Engagement Report, 2016) aus der auch hervorgeht, dass mehr als die Hälfte der Befragten selten oder nie erleben, dass Ihnen Respekt für ihre Leistungen entgegengebracht wird.
Respektvoller Umgang? Fangen Sie an!
Im zwischenmenschlichen Umgang bedeutet das zunächst einmal Ihre Mitmenschen – ob Mitarbeitende, Kollegium, Angehörige anderer Berufsgruppen oder Vorgesetzte – bewusst wahrzunehmen und sich für ihre Sicht der Dinge zu interessieren. Gut und aufmerksam zuzuhören ist dafür entscheidend: Hören Sie genau hin, fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht nachvollziehen können und bremsen Sie wo möglich den Impuls, schnell eigene (Gegen-)Argumente aufzuführen.
Sie werden feststellen, dass Sie so viel mehr über Arbeitsabläufe, Sachzwänge oder auch persönliche Befindlichkeiten erfahren und dass dieses Wissen Ihnen hilft, Entscheidungen zielgerichteter, praxisorientierter und häufig auch im Konsens zu treffen. Das muss nicht immer bedeuten, dass alle die Entscheidung begrüßen. Wichtig ist jedoch, dass allen Beteiligten bewusst ist, aus welchen Erwägungen und/oder Sachzwängen heraus eine Entscheidung getroffen ist und dass sie dies nachvollziehen können.
Wertschätzung der Arbeit? Nehmen Sie mit!
Die meisten Menschen fühlen sich zu Menschen hingezogen, die ihre Arbeit mit Leidenschaft und Begeisterung ausüben und diese Begeisterung auch gerne teilen. Ich nehme an, dass auch Sie Ihre Arbeit in der Klinik aus einer persönlichen Begeisterung für einen Fach- oder Aufgabenbereich heraus ergriffen haben und dass es auch im eng getakteten und gesteuerten Klinikalltag noch Momente gibt, für die es sich lohnt, Ihren Beruf auszuüben.
Lassen Sie Ihr Umfeld teilhaben an diesen Momenten, sprechen Sie über positive Erlebnisse, knifflige Fragestellungen oder Themen, die Sie fesseln. Diskutieren Sie unterschiedliche Sichtweisen oder neue Erkenntnisse als Bereicherung für Ihre Arbeit. Setzen Sie sich wo möglich für Verbesserungen oder Veränderungen ein, und zwar nicht nur im Hinblick auf Ihre eigene Tätigkeit, sondern im Hinblick darauf, was für Ihr Haus gut und wichtig ist. Freuen Sie sich über Erfolge. Denn: Wenn Sie selbst Ihre Arbeit nicht respektieren und wertschätzen, weshalb sollte das dann jemand anderes tun?
Respekt ist Geben und Empfangen gleichermaßen
Respekt ist nichts, auf das Sie warten oder aufgrund einer Position, die Sie einnehmen, erwarten sollten. Einen Titel zu führen, dem Umfeld zu sagen was es zu tun hat und sich ansonsten unzugänglich zu zeigen verschafft Ihnen keinen Respekt. Stattdessen gilt das Prinzip „wie man in den Wald ruft, so schallt es hinaus“ – das Wort Respekt kommt schließlich vom lateinischen respectio und bedeutet so viel wie Rückschau, Betrachtung und Einschätzung. Dadurch, wie Sie anderen Menschen und auch Ihrer eigenen Arbeit begegnen, können Sie den Grundstein für einen respektvollen und wertschätzenden Umgang mit einander legen. Oder, um mit Oscar Wilde zu sprechen: Nur Persönlichkeiten bewegen die Welt – niemals Prinzipien.