Es tut sich was. Zumindest hat es den Anschein. Kein Tag ohne Pressemeldungen zum Thema Pflege. Beschäftigte in deutschen Krankenhäusern oder im Pflegesektor wissen es schon länger: es fehlen Kolleginnen und Kollegen – und zwar fast überall. Und Patienten und Pflegebedürftige merken es auch. Es klemmt an allen Ecken und Kanten. Das deutsche Gesundheitssystem: auf Kante genäht.
Die Ursachen sind hausgemacht. Jahrelang ist im Klinikbereich und in der Altenpflege auf Kosten der Pflege gespart worden. Genauer gesagt: Personal im Pflegebereich eingespart oder nicht an die steigenden Anforderungen und Fallzahlen angepasst worden. Parallel dazu haben viele Träger und Ausbildungsinstitute ihre Ausbildungskontingente reduziert. Das rächt sich jetzt. Dass wir in Deutschland mehr und vor allem mehr examinierte Pflegekräfte benötigen, hat sich auch bis Berlin herumgesprochen. Das ist gut so. Denn das Thema bekommt jetzt endlich so viel Aufmerksamkeit wie es verdient.
Bis 2030 fehlen allein in der Altenpflege 130.000 Pflegekräfte
Eigentlich war es nur eine Randnotiz in der Tageszeitung oder ein Beitrag in einschlägigen Fachportalen: das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat jetzt noch einmal darauf hingewiesen, dass bis zum Jahr 2030 – das ist den elf Jahren – mindestens 130.000 mehr Pflegekräfte in der Langzeitpflege benötigt werden. Derzeit sind dort 590.000 Pflegekräfte tätig. Die Ursache ist einfach: wir werden alle älter und damit steigt der Anteil der Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Derzeit sind 4,6% der gesetzlich Versicherten auf Pflege angewiesen, ihr Anteil soll den Berechnungen zufolge bis zum Jahr 2030 auf 5,5 % der Versicherten steigen.
Wer möchte, dass sich in der Pflege etwas ändert, muss sich mit den Rahmenbedingungen beschäftigen. Schichtdienst, hohe Arbeitsbelastung, eine überbordende Bürokratie, wenig Wertschätzung, eine in einigen Bereichen nicht angemessene Bezahlung, schlechte Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten und fehlende gesellschaftliche Anerkennung, um nur einige Ursachen zu nennen.
Jammern hilft aber nicht weiter. Viele Träger bauen ihre Ausbildungskapazitäten derzeit massiv aus. Das ist gut und richtig. Zahlreiche Anbieter haben auch verstanden, dass Pflegekräfte aus dem Ausland den Bedarf nicht decken, sondern wenn überhaupt nur ergänzen können.
Wir müssen uns zunächst um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern, die derzeit in der Pflege tätig sind. Das ist unsere wichtigste Ressource. Gute Führung durch qualifizierte Leitungskräfte; Wertschätzung, nicht nur von Patienten, sondern auch von anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen; ein kollegiales, fachübergreifendes Zusammenarbeiten im Klinikbereich, was das Konfliktpotential tatsächlich reduziert; stabile Dienstpläne, die dauerndes Einspringen verhindern; digitale Assistenten und Systeme, die Bürokratie reduzieren und Arbeit erleichtern; eine strukturierte Fort-und Weiterbildung, die sich an den Bedürfnissen der Pflegekräfte sowie an den Anforderungen in dem jeweiligen Bereich orientiert und nicht nach Gießkannenprinzip verteilt wird und eine angemessene Bezahlung wären einige Bausteine, die Pflege in Kliniken und Altenpflege nicht nur attraktiver macht, sondern wirklich auch entlastet.
Die Arbeitsbedingungen in der Pflege gehen uns alle an. Jeder von uns möchte bei Pflegebedürftigkeit von freundlichen, kompetenten und menschlich zugewandten Pflegekräften betreut werden. Wenn wir das als Gesellschaft wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen entsprechend gestalten. Das sind wir den Menschen schuldig, die seit vielen Jahren mit hohem Engagement zuverlässig in der Pflege tätig sind oder die für sich überlegen, einen Beruf in der Pflege zu ergreifen .
Gut, dass viele Träger daran arbeiten, die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte in Kliniken und im Altenhilfe-Bereich ganz konkret zu verbessern. Die Veränderung der Rahmenbedingungen ist Aufgabe von Politik und Kostenträgern. Auch diese scheinen verstanden zu haben, dass wir hier alle Anstrengungen unternehmen müssen, um die bestehenden Defizite zu beseitigen. Pflege ist eigentlich ein toller Beruf. Und ein wichtiger dazu.